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Ursula Förster : NOTSCHREIE

Versager

Wieder nicht geschafft, wieder ohne Kraft!
Alle verachten mich--- Ein Abgrund klafft

Alles wird mir viel zu schwer, der Alltag furchtbar hart und leer!
Nur Flucht ist mir noch möglich--- Ich kann nicht mehr…

Ein Traumbild noch erscheint; ein Bote, der mich meint,
zeigt auf ein fernes Licht… Ach, hätt ich doch geweint!


Sucht

Ich ertrag die Angst nicht mehr,
auch nicht der anderen Erwartung!
Die Tage rinnen öd und leer,
das Leben rund um mich ist nur Entartung…

Wenn’s mir im Schädel brummt und bebt,
mich nichts mehr freut und hält,
frag ich mich: „Wie hast du gelebt,
kennst du die Lust auf dieser Welt?“

Da lockt mich schon genoss’ner Trank,
verhängnisvolles Kraut mit seinem Rauch…
Vergessen will ich, bin ja doch nicht krank---,
der Kumpel neben mir, der tut’s ja auch!

Immer mehr mein Denken kreist
nur um Erfüllung dieser Sehnsucht dort,
die keinen besseren Weg mir weist,
als Flucht aus dieser harten Welt, nur fort!


Einsamkeit

Ja, heute mein Geburtstag ist,
den jeder meiner Lieben stets vergisst…
Ein kurzer Gruß schon wäre Glück für mich!
Ein ganzes Jahr sich eben wieder schließt.

Am Mittagstisch im Altersheim
ein Kerzenlicht als Hoffnungskeim:
Wird eine Hand mich liebevoll berühren,
ein Mensch mir lesen einen Reim?

Mein Leben war ein einsam Weg,
ein Fluss mit keinem festen Steg,
der mich mit Freunden hätt verbunden.
Nun ich Alte keinerlei Erwartungen mehr heg…


Alters – Verwirrtheit

Wer ist denn eigentlich mein Kind?
Ob Enkel auch in unsrer Obhut sind?
In diesem Haus sind noch die alten Böden,
über die das Mondeslicht jetzt golden rinnt…

Du warst ja immer da als meine Frau,
als meine Mama mit den Haaren grau.
Ach, deine Hand ist kalt, wie meine Steine,
auf die ich doch so gerne schau.

Wer hat denn früher hier gelebt?
Meine Brust sich jetzt so heftig hebt---!
Mein Kopf ist angefüllt mit tausend Bildern,
die mein Geist aus Herzenstiefen gräbt.

Horch, ein Vogel singt zur Nacht!
Haben wir zwei nicht manchmal auch gelacht?
Wir müssen noch die Tür zusperren,
damit uns niemand Sorgen macht!


Enttäuschte Hoffnung

Ich hätt‘ mich doch gefreut so sehr
auf dieses neue Leben, das da in mir wär!
Endlich könnt ich Mutter werden---
Verlassen hat es mich, mein Innerstes ist leer!

Das ersehnte Wesen ist ein Sternenkind geblieben,
ich darf kein eigen Kindlein lieben…
Nur die Erinnerung an ein Geheimnis blieb,
ein Sehnen aus dem Hier nach Drüben.

Tief schwarze Trauer mich erfüllt,
ein langer, stummer Schrei aus meinem Herzen quillt
und eine Klage über wehen Abschiedsschmerz---
Ob jemals wieder etwas meine Hoffnung stillt?


Schlechte Partnerschaft

Zu zweit allein! Ich fühle mich verlassen,
und immer wieder ganz im Stich gelassen!
Hörst du mich nicht, mein Kamerad von einst?
Wir wollten uns doch lieben, und nicht hassen!

Mein Lebensziel ist eben nicht das deine,
auch ist dein Feierabend nicht der meine.
Wir reden von verschied’nen Dingen,
du kannst es nicht verstehen, dass ich weine…

Unsere Hände finden sich nicht mehr,
dein Blick zu mir ist ausdruckslos und leer.
Gemeinsam sind wir einen schweren Weg gegangen---
Verwirrt tappen wir jetzt nur mehr hin und her…


Angst um ein verirrtes Kind

Behütet hab‘ ich so lange mein Kind,
war voll Liebe, wie Mütter meist sind.
Dennoch hat es den rechten Weg verlassen,
verweht von einem furchtbaren Wind.

Es lauern Abgründe ringsumher;
Ich fürchte um sein Heil so sehr!
Der junge Mensch ist taub und blind,
er hört und sieht echte Gefahren nicht mehr.

Gibt es vielleicht eine Mitschuld am falschen Weg?
Hab‘ ich zu bauen versäumt Brücken und Steg,
um sicher mein Kind zu geleiten
über tosende Wasser im Lebensgeheg?

Mein Schlaf wird von Angstträumen täglich gestört----
Dabei habe ich oft klagende Rufe gehört,
dass die Regeln des Lebens nur Lasten sind…
Wer hat dich, mein Kind, denn dieses gelehrt?

Wird der verrannte Mensch wieder finden nach Haus?
Ich will ihn suchen, eile oft hinaus.
O Gott, lass Engel vernehmen den Schrei:
„Helft, helft, mein Licht lischt bald aus!“


Ziellosigkeit

Ich weiß nicht, wohin---, seh‘ keinen Weg,
stecke im Dschungel drin! Über Sumpf führt kein Steg…

Nichts lockt, was ich will, überall Nebel, kein Licht!
Ich erkenne kein Ziel; Mühen lohnen sich nicht!

Wenn ich falle, ist Schluss, das vergebliche Suchen wär‘ aus!
Mein Herz fleht: Ich muss endlich finden nach Haus…


Spirituelle Finsternis

Ein schwerer Schicksalsschlag hat mich getroffen---,
auf Hilfe mächt’ger Wesen kann ich leider nicht hoffen!
Mein Ruf „ach Gott“ lässt mich erschauern…
Tiefen der Verzweiflung nur stehen noch offen.

Als Kind hab ich gelernt, innig zu beten
und ehrfurchtsvoll sakrale Räume zu betreten.
Die grelle Welt hat mich davon entfernt,
alles erstarb, was gute Lehrer säten.

Wo ist des Lichtes Geist geblieben,
der Zeugnis gab vom Wert „zu lieben“?
Wem kann ich meine Sehnsucht übergeben
nach einem Band von hier nach drüben?

Wir suchen heute alles zu ergründen,
logische Ursachen und Erklärungen zu finden.
Die aber lassen kalt; nur ein Geheimnis bleibt:
Schönheit und Leid können beide davon künden.

Oh, dürft das Wort ich wiederfinden,
das hilft, den Tod zu überwinden,
Angst in Vertrauen zu verwandeln---
Erlösung und Heilung für mich Blinden!


Innere Flut

Ach Gott, ich will ein Lied…, einen heiseren Ruf der Sehnsucht,
ein zartes Stammeln vor Glück…, ein tiefes Schluchzen der Klage!

Sonst wird mein Herz zerspringen an der Fülle von innerem Klang,
oder es wird verkümmern ohne das Licht der Musik…


Aussichtslose Krankheit

Langsam, aber stet, mein Leib zerfällt,
seine Kräfte schwinden für das „Muss“ der Welt.
Ich warte nur mehr auf das Ende:
wie und wo es Gott, dem Herrn, gefällt.

Manch Beschwerden eine Droge unterdrückt,
bohrende Fragen aber in ein neues Licht mir rückt:
Hab ich mein Leben wirklich gut genützt?
Ob mir ein Ahn wohl seinen Segen schickt?

Klares Denken fällt mir jetzt schon schwer,
das Gefühl verdichtet sich: Ich kann nicht mehr!
Neubeginn da nicht mehr möglich ist---
Doch tiefe innere Heilung wünsche ich so sehr…


Angst vor ererbter Schwäche

„Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm!“
Verhängnisvollen Lauf mein Schicksal nahm.
„Dein Vater hat sein Leben nicht gemeistert!“---
Diese Botschaft mir schon bald zu Ohren kam.

Schwarz fühl ich seinen Schatten auf mich fallen,
wohl am meisten ähnlich ihm von allen!
Kann mich von dieser Last fast nicht befreien---
Meine Gebete traurig, unerhört verhallen…

Gelähmt im Netze dieses Vorurteils gefangen---,
kann ich da wirkliche Freiheit noch erlangen?
Sogar die Gesichter ähnliche Züge aufweisen---
Soll ich da nicht auch um die seelischen bangen?

Ich muss mich lösen von der Scham über mein Urbild!
Denn mein eigenes, selbständiges Wesen nur gilt!
Bin ich trotz aller Schwächen es wert,
dass Kraft aus Gottes Brunnen zu mir quillt?


Angst vor Katastrophen (Panik)

Es lauert der Wahnsinn---, es verfolgt mich das Pech!
Überall bebt die Erde, Orkane verwüsten das Land!

Ordnung gilt nicht mehr, aus den Fugen die Welt!
Reißende Wasser tosen und vernichten Behausung…

Stürme und Fluten – auch in der Seele- erschüttern den ganzen Menschen,
sein Gemüt wird verwirrt…, Grauen hat mich in seiner Gewalt!

Schmerzen fühl ich im Kopf, die Nacht wird mir zur Qual,
es pocht das Herz, der Magen sticht--- Böse Krankheit wird mein Schicksal sein!

Was soll mir noch das Leben, wenn solch Gedanken mich bedrohen?
Es muss eben doch Dämonen geben---, die rauben mir jedwede Freiheit!


Überfordert

Todmüde schlepp ich mich dahin,
Nebelschleier trüben meinen Sinn.
Das Leben ist Mühsal nur und Plag‘,
schwerer wird mir alles von Tag zu Tag!

Stets braucht ganz nötig jemand mich---
Alte stützen und Kinder schützen: all das mach ja ich!
Dabei quält schon das kleinste Geräusch mich sehr,
Sorgen lassen mir nachts keine Ruhe mehr!

Schwere Schultern werden mir zur drückenden Last,
ich lechze stündlich nach echter Rast…
Der Alltag kann keine Freuden mehr bieten,
ausgepumpt bin ich, habe zu viel gelitten!

Ich wollte doch immer für andere da sein,
so manches Opfer schien mir einst klein.
Jetzt fällt mir klares Denken oft schwer---
Auch ein volles Herz wird manchmal leer!


Familiäres Chaos

Ich liebe zwar meine Eltern sehr---,
doch mein Herz ist oft bange und schwer,
wenn unser Heim erfüllt von Angst und Schreck,
und ich gelähmt im hintersten Eck!

Wenn Zwist und Schreie erfüllen das Haus,
gehen der Geschwister Spiele und Lachen schnell aus…
wir reichen einander zitternd die Hände
und erflehen verzweifelt des Wahnsinns Ende.

Die Reuetränen der Mutter verwirren uns nur,
wenn vom Halt der Alten gar keine Spur…
Wenn der nächste Morgen nur ein hilfloses Schweigen,
wird das Chaos schleichend auch uns zu eigen!


Tiefe Traurigkeit

Sie sehen mich an, die Bilder der Toten
mit einer stummen Frage…
Ihr Blick ist einer von fernen Boten
mit einer leisen, ewigen Klage.

Das Leben der Menschen war immer schon schwer,
ein Kampf mit finsteren Gewalten!
Auch ich bin heute von Hoffnungen leer,
bin eine der todmüden Alten…

Die Welt zeigt zwar viel schönes Licht,
lässt Blumen blühen und Kinder lachen…
Doch wunde Menschen sehen das nicht;
auch ich kann dagegen nichts machen.

Von tiefer Ohnmacht ist mein Herz ganz schwer…
Dass Liebe so furchtbar weh tut!
Leid strömt ins unendliche Tränenmeer…
Wird endlich einmal doch alles noch gut?


Arbeitslosigkeit

Nur ein kleines Rädchen möchte ich sein
im großen Getriebe der Arbeitswelt.
Dessen Platz passte genau dort hinein,
wo es auch andere sicher zusammenhält.

Aber ich kann diesen Ort nicht finden,
und niemand hilft mir wirklich dabei,
obwohl riesige Lettern ankünden:
„Eine Stelle ist wieder frei“!

Ich möchte ehrlich Einsatz geben- ,
egal, ob mit Hirn, ob mit Hand…
Es gäb‘ wieder Sinn meinem Leben,
den ich schon lang nicht mehr fand.

Nur schreiben und laufen und warten…
Das Echo, die Antwort bleibt aus…
Mein Schicksal sind stets falsche Karten,
das Spiel schmeißt mich immer hinaus!


Pleite

Immer teurer wird das Leben,
in die Höhe schnellen alle Kosten!
Was mir grad‘ als Lohn gegeben,
reicht nur zur Not für Alltags – Posten…

Unter meinen Füßen droht der Abgrund---
Hat niemand mir ein Netz gespannt?
Es geht bergab, ich lauf mich wund‘---
Die Schulden sind noch immer nicht gebannt!

Ich suchte andere Werte als das Geld
und schätzte zu gering die Sicherheit.
Doch ist’s die bittere Wirklichkeit auf dieser Welt,
dass der verliert, der Lügen scheut.


Tod eines Bruders

Mein Bruder ist nicht mehr,
er wollte nicht mehr leben!
Sein Platz hier unter uns ist leer…
Trauer überall. Er fehlt mir sehr!

Wir haben doch zusammen oft gelacht,
am Tisch der Eltern gut gegessen---
Er hat mir so manche Freud‘ gemacht,
ich gab auf ihn, den Jüngern, gerne Acht.

Und dennoch musste ich hilflos sehen,
wie sein Gemüt sich ständig verdunkelte!
Sein Weg war nur mehr ein mühsames Gehen,
sein Tod dennoch ein unfassbares Geschehen.

Warum nur musste er so leiden,
dass er diesen Schmerz uns angetan?
Findet er jetzt ewige Freuden,
ist er der glücklichere von uns beiden.


Schuld?

Unerbittlich, das Rad der Zeit…,
es lässt nicht zurück sich drehen!
Mich überfluten Scham und Traurigkeit –
Das Böse ist auch durch mich geschehen!

Ursula Förster
schreibt ungefähr seit 10 Jahren - nur für den privaten Gebrauch in ihrer großen Familie - Erzählungen, Romane, vor allem aber Lyrik. Einige Schreibseminare in Puchberg, sowie eine 3-jährige Schreibschule einer deutschen Fernakademie haben ihre Freude am Schreiben vertieft. Es ist ihr auch immer der soziale und therapeutische Aspekt der schriftlichen Arbeit sehr wichtig
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